Life/Work Planning

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Karriereberatung als Aufgabe der Erwachsenenbildung –
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Gewollt und wichtig

Sie sind nun seit 23 Jahre in der Erwachsenenbildung tätig. Wie haben Sie Ihre Entscheidung dafür getroffen?

Ich habe in den USA auf Lehramt studiert, Anglistik Sekundarstufe II. Während des Studiums ahnte ich aber schon, dass ich nicht ohne Weiteres mit der Situation in einer öffentlichen Schule klarkommen würde. Die Standardisierung im Schulwesen und die Vorstellung, von Montag bis Freitag von 8.00 bis 16.00 Uhr irgendwo lehrend tätig sein zu müssen, machte mir Angst. Das Schlimmste war jedoch die Atmosphäre, die in den Schulen vorherrschte: Die meisten Leute, die ich kannte, gingen ungern in die Schule. Sie litten unter der Monotonie und fanden die Sinnlosigkeit fürchterlich. Der Lehrstoff sollte auswendig gelernt werden, es wurden Tests geschrieben, es wurden Noten verteilt, und danach konnte man alles wieder vergessen. Hinter verschlossenen Türen gaben die Lehrkräfte und Schulleitungen zu, dass auch sie die Situation schizophren fanden: "Recht habt ihr", trösteten uns die jüngeren Lehrer, "aber was soll man machen? Das System ist einfach so." Und nach Außen hin haben sich natürlich alle den Regeln entsprechend verhalten.

Ich hatte also große Angst davor, mich als Lehrer in einem System zu verstricken, in dem auch ich mir eines Tages von Schülerinnen und Schülern würde sagen lassen müssen, dass sie meine Arbeit stupide finden. Ich wollte nicht für "Klienten" arbeiten, die nicht mit mir arbeiten wollten. Ich wollte nicht eine Leistung anbieten, die den Klientinnen aufgezwungen werden musste. Und ich wollte nicht etwas anbieten, das von Klientenseite als überflüssig betrachtet wurde. 

Insofern basierte meine Entscheidung für die Erwachsenenbildung letzten Endes auf den zwei Kriterien: gewollt und wichtig. Mit gewollt meine ich: Es ist mir ein Anliegen, dass meine Klienten wirklich mit mir zusammen arbeiten wollten - ich wollte "gewollt" sein! Und mit wichtig meine ich: Ich biete nicht eine Dienstleistung an, die auch sonst so an jeder Ecke zu kaufen ist. Ich wollte etwas anbieten, was den Klienten wirklich viel bedeutete. Die mögliche Umsetzung dieser beiden Kriterien, sah ich in der Erwachsenenbildung. Denn Erwachsene sind eher in der Lage, Seminare, die man ihnen aufbrummen will, abzuwehren. Auch wenn es etwas idealistisch klingen mag, so machen doch Erwachsene in der Regel nur dann ein Seminar mit, wenn sie es wirklich mitmachen wollen.

Im Nachhinein klingt meine Entscheidungsfindung viel gradliniger, als das, was ich wirklich erlebt habe. Wenn man 48 ist, zurückblickt und weiß, die Geschichte ist gut ausgegangen, dann hat man keine Hemmungen zu sagen: "Mir waren die öffentlichen Schulen zu sehr einengend oder abschreckend." Mit 22 aber habe ich mich nicht getraut, den Mund aufzumachen und das zu sagen.

Ich bin dann erst einmal ins private Bildungswesen gegangen. Dort habe ich drei Jahre lang mit jüngeren Leuten (17-25jährigen angehenden Übersetzern) gearbeitet, und dann zehn Jahre in der Industrie (Personal- und später Qualitätsentwicklung). 1990 habe ich mich selbständig gemacht und seit 1995 biete ich mein Berufsplanungs-Seminar hauptsächlich über Universitäten an und gelegentlich im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung. Ich genieße es, selber entscheiden zu können, wie viele Kurse im Jahr stattfinden sollen, über wie vielen Stunden und mit welchem Inhalt. Ich liebe es geradezu, zu sehen, was die Leute mit den Seminarwerkzeugen machen - schon während des Kurses, und besonders auch danach. 


"Ich möchte Leuten helfen, Arbeit zu finden ..."

Wie kam es zu der Entscheidung, gerade Berufsplanungs-Kurse zu entwickeln und anzubieten?

Auf den Punkt gebracht: Es war eigene Betroffenheit. Das ist der größte Teil der Antwort. Jahrelang habe ich mir selbst den Kopf darüber zerbrochen: Was soll ich mit meinem Leben anfangen? Als Teenager habe ich mit viel Ehrgeiz Camus und Kierkegaard gelesen. Mit 22 Jahren sah die Welt für mich so aus, dass es nichts gab, was für mich einen Sinn ergeben hätte. Das Leben schien nur daraus zu bestehen, dass ich älter wurde. Ich sollte Geld verdienen, ich könnte Kinder kriegen, ich würde noch älter - und dann würde ich verschwinden. Als ich die Arbeitswelt durch eine solche Brille betrachtete, sagte ich mir: Wenn schon sinnlos, dann zumindest gut bezahlte Sinnlosigkeit.

Diese Art, die Berufswelt zu betrachten, nenne ich heute das Misthaufen-Modell der Arbeit. Alles Arbeiten ist - metaphorisch ausgedrückt - mistähnlich. Es wird unterstellt, dass die Mistartigkeit der Aufgabe auch gleichzeitig der Grund ist, warum ein Arbeitgeber bereit ist, Geld für die Arbeitserledigung zu bezahlen. Jemand soll ihm seinen lästigen Misthaufen beiseite schaffen. Mit diesem Konzept fing ich in der Arbeitswelt an. Ich habe mir solche Misthaufen ausgesucht, wo ich sicher war, der Haufenbesitzer wird viel Geld für die Haufenbeseitigung bezahlen. Ich war nicht besonders glücklich, dafür aber gut bezahlt. 

Es hat einige Jahre bei mir gedauert bis ich merkte, dass es Teile in meiner Arbeit gab, die ich wirklich gerne tat. Besonders gerne habe ich diese Arbeiten dann gemacht, wenn am Ende sich jemand die Zeit nahm, um ausdrücklich zu sagen "Hey! Das, was du gemacht hast, das war wirklich hilfreich." Irgendwann dämmerte es mir: In diesen Situationen habe ich nicht mehr wegen des Geldes gearbeitet, sondern wegen der angestrebten Ergebnisse. Ich arbeitete, um etwas (was ich selber Wert schätzte) zustande zu bringen. Diese Art des Arbeitens war nicht mehr ein bloßes Mach-mal-diesen-Misthaufen-weg-Arbeiten, sondern es ging darum, etwas zu entwickeln, das in meinen eigenen Augen als bedeutsam oder gar schön galt.

Aber es blieben große noch nicht beantwortete Fragen. "OK", sagte ich mir, "du willst dafür sorgen, dass gute Dinge passieren. Aber was sind denn gute Dinge? Und für wen?" Meine Antwort auf die erste Frage lautete in etwa so: "Ich möchte Leuten helfen, Arbeit zu finden, mit der sie sich identifizieren können und auf die sie stolz sind." Aus dieser Antwort leitete sich das Berufsplanungs-Seminar ab.

Die Antwort auf die Frage, "Für wen?" hat sich mit den Jahren verändert. Als ich anfing, hätte sie gelautet "Für jeden, der will". Aber als Seminarleiter reibt man sich nach kurzer Zeit an der Unterscheidung zwischen will und willens. Ich lerne jedes Jahr viele Menschen in meinen Kursen kennen, die sagen, sie wollen eine gute Stelle finden. In vielen Fällen existiert dieses Wollen nur so lange, wie sie glauben, ich als Trainer würde diese Stelle für sie finden. Sie gehen davon aus, dass ich über gute Beziehungen oder über besondere Einblicke in bestimmte Marktsektoren verfüge. Aber so funktioniert das Seminar nicht. Willens heißt für mich, jemand versteht, dass die empirische Auseinandersetzung mit dem Arbeitsmarkt viel Anstrengung mit sich bringt, und er oder sie sagt in voller Kenntnis dessen dennoch: "OK, ich bin bereit das zu machen." Dies sind die Menschen, mit denen ich am liebsten arbeite. Wenn Leute anrufen und sagen, sie wollen ein Seminar mitmachen, dann bitte ich sie, sich erst zu überlegen, wie es mit der eigenen Motivation steht, bevor sie sich anmelden. Ich bin kein Motivationstrainer. Ich weiß nicht, wie es geht, Menschen zu motivieren. Ich weiß auch nicht, wie es geht, Menschen beizubringen, sich selbst zu motivieren. Wer nicht von sich aus motiviert ist, der wird mit mir als Trainer wahrscheinlich unzufrieden sein.

Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Ich leite Seminare zum Thema Life/Work Planning (L/WP). Dahinter steht ein Verfahren, mit dem Menschen für sich klären, welche Art von Arbeit sie am liebsten tun. Zum Verfahren gehört eine Methodik, wie man seine eigenen Ideen schnell in der echten Arbeitswelt auf ihre Tauglichkeit hin überprüfen kann: "Gibt es Firmen, die so sind, wie ich sie mir wünsche? Und wenn ja, wie kann ich Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter einer solcher Firma werden?" Der amerikanischen Arbeitswissenschaftler Richard N. Bolles hat L/WP Ende der 60er Jahre entwickelt und seitdem ist das Verfahren fester Bestandteil der Career Development Curricula von Hochschulen rund um die Welt. 

Life/Work Planning basiert auf der Erkenntnis, dass viel mehr Stellen auf dem Arbeitsmarkt existieren, als allgemein angenommen wird. Studien sagen aus, dass drei von vier Stellen nie ausgeschrieben werden, das sind 75%. An sich ist das eine gute Nachricht. Nur, wenn Nützliches daraus entstehen soll, dann müssen Leute lernen, diese nicht ausgeschriebenen Stellen zu finden. Und damit fängt das Problem an. Denn, um solche Stellen zu finden, muss man Ziel gerichtet vorgehen; man muss wissen, was man sucht. Leider wissen die meisten Leute nicht, was sie am liebsten beruflich machen wollen. Schlimmer noch, viele haben das Gefühl, dieses Nicht-Wissen stelle bei ihnen ein persönliches Defizit dar. Oft zögern Leute, das Thema überhaupt anzusprechen, weil sie Angst haben, schon das Darüber-Reden könnte bedeuten, "bei mir ist etwas nicht in Ordnung."

Die Frage "Was will ich mit meinem Leben anfangen?" wird nicht im öffentlichen Schulsystem angesprochen. Und so wachsen die meisten Leute auf, ohne ein System für die Auseinandersetzung mit der beruflichen Planung gelernt zu haben. Dies trifft genauso für andere Fragen zu, wie zum Beispiel "Was mache ich gerne?" oder "Wie kann ich meine Fähigkeiten so einsetzen, dass mein Handeln etwas bewegt?" Viele Bildungsverantwortliche tun so, als ob Jugendliche oder junge Erwachsene das alles irgendwie für sich klären könnten. Nur, die Studienabbrecher-Quoten sind ein nicht von der Hand zu weisendes Indiz dafür, dass viele junge Leute es doch nicht schaffen. In manchen Fachbereichen brechen über 40% der Studierenden ab. Ihren Studienabbruch erklären sie oft mit dem Argument: "Wir wussten vorher nicht genau, was das war, dieses Studienfach." Das ist bloß eine andere Art zu sagen: "Wir wussten nicht, was uns interessiert, und wir wussten auch nicht, wie wir das für uns klären könnten."

Noch bezeichnender jedoch ist die allgegenwärtige Unzufriedenheit mit der Arbeitswelt, wie sie täglich von unseren Freunden, Ehepartnern, Verwandten und Kolleginnen zum Ausdruck gebracht wird. "Wie läuft die Arbeit?" fragen wir uns gegenseitig, und über die Achsel zuckende Antwort: "Na ja, du weißt schon, ist halt ein Job" sind wir nicht im Geringsten überrascht. Wie viele von unseren Freunden würden voller Überzeugung sagen, sie machen das wirklich gerne, was sie beruflich machen? Und wer hat eine Methode gelernt, das wirkungsvoll zu verändern? Dabei werden effektive und leicht erlernbare Systeme schon seit Jahrzehnten in den Schulen anderer Länder und Kulturen gelehrt.

Sie haben Ihr Seminar jetzt mehr als 150 mal veranstaltet. Erzählen Sie etwas über Ihre Erfahrungen - auch über die negativen.

Fangen wir lieber mit dem Positiven an. In L/WP-Seminare kommen die meisten Leute dann, wenn einer ihrer Freunde oder Verwandten schon mal erfolgreich eines mitgemacht hat. Solche Leute lächeln sich gegenseitig voller positiven Erwartungen an. Für einen Trainer ist das ist ein großer Vertrauensvorschuss! Ich arbeite mit selbst motivierten Erwachsenen. Und es ist wirklich eine Privileg, manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen zu lernen und eine Weile lang begleiten zu dürfen. Ich denke zum Beispiel an eine junge Frau, die klassischen Gesang an der Musikhochschule in Detmold studiert hatte. Ihr Traum war es, nach New York zu gehen, um dort zu singen und in der Welt der Broadway Musicals zu arbeiten. Zwei Jahre nach ihrem Seminarbesuch habe ich einen Brief bekommen. Darin lagen die Anzeigen eines Theaters in der 5th Avenue und ihr Name wurde genannt. Und ich denke an einen jungen Mann, dessen Eltern einen Bauerhof hatten und Schweinezucht betrieben. Die Eltern hielten es für selbstverständlich, dass ihr Sohn eines Tages den Hof übernehmen würde. Sein Traum aber war es, eine Rolle bei der Gestaltung der europäischen Gesundheitspolitik zu spielen. Er hat jetzt einige Jahre für die EU gearbeitet. Dort hat er den Zuschlag bekommen, trotz vieler Mitbewerber, die bis zu zehn Jahren mehr Berufserfahrung hatten.

Seminarabsolventinnen und -absolventen arbeiten heute für Solarunternehmen, Fluglinien, Theaterhäuser, Opernhäuser, Kirchen, Universitäten, Kliniken, Museen, Telekommunikations-Konzerne, Chemiegiganten, Computerfirmen, Autohersteller, Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Stadtverwaltungen. Andere wiederum entscheiden sich für eine selbständige Tätigkeit. Viele haben das Verfahren nicht nur angewendet, um Stellen in Deutschland zu bekommen, sondern auch in diversen Ländern wie Frankreich, Russland, England, Irland, der Türkei, dem Libanon, Australien und den USA. Ich habe einen dicken Ordner voll mit ihren Geschichten, und ich freue mich über jede neue Geschichte, die dazu kommt. Skeptiker sagen natürlich, dass die Leute einfach Glück hatten. Und ich denke auch, dass Glück immer mit im Spiel ist. Dennoch habe ich bei vielen dieser Geschichten miterlebt, wie sie sich mit der Zeit entwickelten. Ich habe mitbekommen, wie die Stellensuchenden sich vorbereitet haben, spät abends und an den Wochenenden. Immer wieder haben sie die Übungsinterviews wiederholt. In kleinen Coaching-Runden haben sie sich Monate lang gegenseitig auf Trab gehalten. Die Leute mögen Glück gehabt haben, aber sie haben auch unglaublich viel dafür getan, dieses Glück erst möglich zu machen.

Diese positiven Initiativen machen den größten Teil meines Arbeitslebens aus. Natürlich gibt es Aspekte, die weniger schön sind. Ich glaube, das Unangenehmste bei meiner Arbeit ist die fast tägliche Auseinandersetzung mit argwöhnischen Verdächtigungen und Unterstellungen. Immer wieder gibt es Gespräche, in denen ich das Verfahren rechtfertigen muss: "Nein, es hat nichts mit einer Sekte zu tun" oder "Nein, ich arbeite nicht mit psychologischen Tests". Life/Work Planning ist ursprünglich aus Projekten der evangelische Kirche in den USA entwickelt worden, so dass über den seriösen Charakter des Verfahrens doch eigentlich keine Zweifel bestehen müssten.

In der Kleinstadt, in der ich seit 1975 wohne, sind die meisten Leute katholisch. Als das erste L/WP-Seminar hier an der Universität angekündigt wurde, hat die lokale Presse sofort die Schlagzeile gebracht: Unheimliche Karrierekurse. Innerhalb von fünf Tagen verlor ich 80% aller Kursbuchungen, die ich für die folgenden zwei Jahre akquiriert hatte. Ich weiß nicht, ob es nachvollziehbar ist, was es in einer Familie mit drei Kindern heißt, in wenigen Tagen 80% einer mühsam über Jahre aufgebauten Existenz zu verlieren. Seit dieser Zeit bin ich mit dem überwiegenden Teil meiner Arbeit in größere Städte gezogen. An den Großstadt-Universitäten finde ich mehr Offenheit für neue Ideen und mehr Toleranz.

Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angeht, sind sie größtenteils gut informiert und gut vorbereitet. Wenn es überhaupt etwas Unangenehmes über Teilnehmende zu berichten gibt, dann vielleicht dieses: In fast jedem Kurs kommt jemand auf mich zu - meistens während der Pause - und sagt dann in einem sehr diskreten Flüsterton so etwas wie: "Ehhmmm ..., ich wollte nur mal sagen, dass ich morgen einen Zahnarzttermin habe (oder dass der Klempner kommt, oder dass der Kater kastriert wird). Das macht aber nichts, oder? Ich meine, ich verpasse nichts Wichtiges, oder?" Ich weiß einfach keine Antwort darauf. Manche Leute scheinen davon auszugehen, dass der bloße Akt des sich Anmeldens irgendwie die erhofften Seminar-Ergebnisse sichert. "Dabei zu sein, um die Arbeit zu machen" scheint für sie ein netter Luxus zu sein, den sie sich manchmal gönnen, und manchmal nicht. Aber ein L/WP Kurs ist wirklich viel Arbeit. Wenn jemand nicht für die volle Zeit dabei sein kann, oder wenn jemand nicht die Zeit für die Hausaufgaben hat, dann kann nur von einer Teilnahme abgeraten werden. Ich weiß, dass solche Aussagen manchmal als Wichtigtuerei oder gar Intoleranz meinerseits verstanden werden. Die Wahrheit ist jedoch viel bescheidener: Ich weiß einfach nicht, wie es geht, mit Leuten zu arbeiten, die nicht da sind. Vielleicht lerne ich es eines Tages, aber der Stand heute ist, dass ich nur mit Anwesenden arbeiten kann.

Erwachsenenbildung bringt auch manchmal überraschend unangenehme Erfahrungen mit den Trägerorganisationen. Wenn die Mitarbeiter bei einem Träger so etwas wie einen Beamtenstatus genießen, dann entsteht manchmal eine Situation, in der Nichts, was der einzelne tut, für ihn irgendwelche Konsequenzen hat. Ob das von ihm organisierte Seminar stattfindet oder nicht, ob Interessenten sich anmelden oder nicht, ob Dokumentationen rechtzeitig fotokopiert und verteilt werden: Für ihn haben diese Fragen keine Bedeutung. Er bekommt sein Gehalt in gleicher Höhe, unabhängig davon, ob etwas geschieht. Mancherorts hat dies zur Folge, dass Marketingaktivitäten für die Seminare praktisch nicht existieren. Es gibt offenbar PR-Leute, die meinen, ihre Arbeit sei dann erledigt, wenn sie einmal eine Pressemitteilung irgendwohin gefaxt haben. Wenn ich mir dann die Frage erlaube, ob die Faxempfänger denn auch beabsichtigten, die Meldung zu bringen, dann werde ich angeschaut, als ob ich die exotischsten Flausen im Kopf hätte. Mehr als einmal habe ich die irritiert geäußerte Feststellung gehört: "In unserer Organisation nehmen wir keinen direkten Kontakt mit der Presse auf." 

Es gibt eine riesengroße Marktnische - nur sie ist zu groß, um als Nische abgetan zu werden -, sagen wir also lieber: es gibt einen riesengroßen Marktbereich, den wir "Bildungsmarketing" nennen können. Hauptanliegen dieses Bereichs wäre die Vermarktung von Bildungsprogrammen. Dieser Bereich wartet und wartet darauf, von jungen, arbeitswilligen Menschen besetzt zu werden. Es gibt so viele gute Trainer und Trainerinnen auf dem Markt, Trainer mit gut durchdachten und effektiven Programmen, von denen aber nicht wenige Existenzprobleme haben. Nicht etwa weil ihre Kurse nicht gut sind und auch nicht weil kein Bedarf an ihren Angeboten besteht, sondern weil diejenigen, die die Öffentlichkeit über solche Bildungsangebote informieren, ihre Aufgabe nicht besser erfüllen.


Neue Zielgruppen 

Welche Perspektive sehen Sie für Ihre Arbeit in der Zukunft?

Ob eine Perspektive für diese Arbeit existiert oder nicht, hängt gänzlich davon ab, wie wir den Begriff Perspektive definieren wollen. Wenn Sie damit meinen: "Gibt es jede Woche Stellenanzeigen, die nach qualifizierten Trainern für geplante Life/Work Planning Seminare suchen?", dann muss man nüchtern feststellen, dass es überhaupt keine Perspektive gibt. Die meisten Bildungsinstitute, die Seminare dieser Art angemessen anbieten könnten, haben noch nicht davon gehört. Weniger als eine Promille der Bevölkerung weiß, dass es L/WP-Seminare gibt. 

Mit Perspektive könnten Sie aber auch meinen: "Gibt es offizielle Vorhersagen durch Ämter bzw. Behörden oder Forschungsinstitute, aus denen man eine Prognose ableiten kann, dass soundso viel Tausend Trainer in den nächsten Jahren benötigt werden?" Aber auch diese Frage müsste man klar mit "Nein" beantworten. Im Jahre 2001 sind wir wahrscheinlich noch fünf bis zehn Jahre von einem Szenario entfernt, in dem eine signifikante Zahl von Behörden oder akademischen Institutionen sich mit solchen Verfahren befassen wird. Solche Instanzen erstellen keine Prognosen für ihnen unbekannte Lehrstoffe.

Es gibt jedoch noch ein anderes Verständnis des Begriffs Perspektive, und zwar folgendes: "Gibt es realistische Möglichkeiten, diese Arbeit auszudehnen, zu entwickeln und zu verbreiten?" Und wenn Sie die Frage so meinen, dann kann die Antwort endlich lauten "Ja!". Ich persönlich neige dazu, solche Möglichkeiten fast überall zu sehen. Aber auch nüchtern demographisch betrachtet, können mindestens fünf potenzielle Zielgruppen ausgemacht werden. 

Als erste Gruppe denke ich an all die Schulkinder, für die es gut wäre, die Frage zu beantworten "Was ist es, was ich gut und gerne mache?" Weil diese Frage unbeantwortet bleibt, erscheint es später im Leben völlig unrealistisch, sich ernsthaft zu fragen "Welche Art von Leistungen möchte ich der Arbeitswelt anbieten?" In den Schulen und auch später in den Hochschulen wird jungen Leuten jahrelang erzählt "Dieses machst du falsch. Dieses ist nicht richtig. Hier ist deine Leistung nicht gut genug." Wenn sie in einem L/WP-Seminar mit den Fragen konfrontiert werden "Was liebst du? Was findest du total interessant?" dann fällt es ihnen zuerst schwer zu glauben, diese Fragen könnten ernst gemeint sein. Ich kann mir gut L/WP-Aktivitäten in den Schulen vorstellen, wo schon 7-jährige lernen könnten, welche unterschiedlichen Fähigkeiten es gibt, und wie man sich gegenseitig helfen kann, seine eigenen Fähigkeiten zu bestimmen. Sie können lernen, wie man über eigenes Können redet, ohne die Grenzen des Anstands zu verletzen.

Als zweite Zielgruppe sehe ich die jungen Erwachsenen kurz vor Ende der Berufsausbildung oder des Studiums. Wenn L/WP Seminare so angesiedelt werden, dass sich diese Leute schon während der Ausbildung mit den Fragen der späteren beruflichen Tätigkeit befassen, dann entfällt der ganze Komplex, der heute salopp als Praxisschock bezeichnet wird. Es ist ohne weiteres möglich, dass Studierende oder Lehrlinge - auch ohne die vermittelnden Interventionen von Expertinnen und Experten - sich selber Zugang zu der erlebten Wirklichkeit eines angepeilten Berufsbereichs verschaffen. Nur, irgendwo müssen sie lernen, wie das geht.

Die dritte Zielgruppe sind jene, die gegenwärtig eine unbefriedigende Anstellung haben. Viele Berufstätige geben offen zu, dass sie lieber woanders arbeiten würden. Der Umstand, dass sie jetzt gerade bei der und der Firma beschäftigt sind, sagt nicht unbedingt viel darüber aus, dass sie jemals dort arbeiten wollten. Vielmehr war dieser Job möglicherweise der Job, der am wenigsten unattraktiv ausgesehen hat. Nur aus einem Grund bleiben diese Leute wo sie sind: Sie kennen keinen Ausweg. Für eine Firma müsste eine erhebliche Produktivitäts-Steigerung entstehen, wenn auch nur die Hälfte der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Betriebs wirklich dort arbeiten wollte. Was wäre möglich, wenn sie nicht jeden Tag dort auftauchen würden, nur weil sie Geld verdienen müssten, sondern weil die Ziele des Unternehmens für sie selbst ein persönliches Anliegen sind?

Die vierte demographisch definierbare Gruppe würde aus etlichen kleineren Gruppierungen bestehen. Dies sind Berufsrückkehrerinnen z. B. Mütter, die nach ein paar Jahren mit den Kindern zu Hause jetzt in die Arbeitswelt zurück wollen. Jungsenioren - also die 55-65 Jährigen -, die dabei sind, sich zu entscheiden, was sie mit den nächsten 20 Jahren und der vielen Freizeit anfangen sollten. In anderen Ländern gibt es schon Projekte, in denen L/WP-Seminare für ausstiegswillige Prostituierte laufen sowie für Gefängnisinsassen zur Vorbereitung ihrer Entlassung. Vielleicht gibt es Gründe, die dagegen sprechen, aber ich persönlich erkenne keinen Grund, warum es nicht Kurse für Blinde geben könnte, oder für Hörgeschädigte oder für Rollstuhlfahrer.

Zu guter Letzt gibt es viel zu tun, um ein lokales Ausbildungsprogramm für Trainerinnen und Trainer aufzubauen. In der Zeit, während die oben genannten Ideen immer mehr Form annehmen, könnte ein ganzer Pool von kompetenten, leistungsfähigen Trainern und Trainerinnen heranwachsen. Die überzeugendsten werden immer diejenigen sein, die all das schon gemacht haben, was sie ihren Teilnehmern abverlangen. Das heißt, jedes Land braucht local national Trainer, Leute, die zwar in der regionalen Kultur aufgewachsen sind, die aber auch die L/WP-Methoden gelernt und im eigenen Lebensraum umgesetzt haben. Für das L/WP-Verfahren werden die Lebensgeschichten dieser Leute die glaubwürdigsten Beispiele liefern. Sie werden L/WP weiterentwickeln und an den Kulturraum anpassen, in dem sie ihre Seminare anbieten. Und sie werden Projekte und Ergebnisse zustande bringen, deren Umfang und Inhalt wir uns heute nicht einmal vorstellen können.

Von John Webb, der sich in diesem Text selbst interviewt. Gerade Veröffentlicht in dem Buch: 

Nittel, Dieter/ Völzke, Reinhard (Hrsg.), Jongleure der Wissensgesellschaft. Das Berufsfeld der Erwachsenenbildung, (Grundlagen der Weiterbildung), Neuwied/Kriftel/Berlin: Luchterhand, 2002.

Weitere Textausschnitte und Informationen zum Buch unter: http://www.wissensjongleure.de 

Hermann-Luchterhand Verlag im Internet: http://www.luchterhand.de

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